Zweifeln als Talk & Walk des Führungsalltags

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Führungskräfte wollen die Kreativität, Diversität und Eigenständigkeit von Teammitgliedern und Mitarbeiter*innen unterstützen. Sie wollen Innovation und einen sichtbaren, nachhaltigen Wandel der Organisation ermöglichen. Gleichzeitig agieren sie häufig unter großem Zeit-, Effizienz- und Ergebnisdruck.

Wie können Führungskräfte entscheiden, ohne gleichermaßen relevante Dimension zu vernachlässigen? Mit dem französischen Philosophen Jaques Derrida kommen wir hierbei nicht ohne Zweifel aus.

Mit dem französischen Philosophen Jaques Derrida kommen wir hierbei nicht ohne Zweifel aus, sondern haben es vielmehr mit einer widersprüchlichen Situation zu tun. Einerseits sind wir dazu aufgefordert, Räume zu eröffnen, innerhalb derer sich individuelle, kreative Potenziale frei entfalten können, andererseits aber ist es unsere Aufgabe, diese Räume so zu gestalten, dass ihnen in einem zeitlich überschaubaren Rahmen konkrete Ergebnisse entspringen. Dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist mit Derrida unmöglich. Wie sollten wir wissen, dass unsere Entscheidung tatsächlich so gut ist, wie sie sein könnte? Wie sollten wir sicher sein, dass wir beide Dimensionen, beide Anforderungen angemessen berücksichtigen und nicht auf Kosten der ein- oder anderen Seite agieren? Könnten wir unsere Lösung tatsächlich zweifelsfrei vertreten, würden genau diese Fragen aus dem Blick geraten. Wir würden vorgeben, zu wissen, wie genau die Unterstützung unsere Mitarbeiter*innen aussehen müsste, damit eine erfolgreiche Entwicklung der Organisation gewährleistet werden könnte. Mit einer solch zweifelsfreien Haltung aber machen wir es uns mit Derrida zu bequem. Hier weiter lesen

Hilfreicher scheint es aus philosophischer Perspektive zu sein, Zweifel nicht beiseite zu schieben, sondern als Lernraum zu begreifen. Mit Lernen ist hier gemeint, sich dem eigenen Nicht-Wissen zu stellen und sich aus diesem Nicht-Wissen heraus zu einer Entscheidung durchzuringen. Dabei kann es sich nur um einen Versuch handeln. Um eine vorläufige Lösung, die weder richtig noch falsch ist, sondern uns vor neue Fragen stellt und uns damit dabei behilflich ist, immer wieder neue Lösungen zu entwickeln.

Aus der Akzeptanz unserer Unsicherheit und des Zweifels heraus, zu entscheiden, lässt uns also nicht zur Ruhe kommen. Im positiven Sinne. Wir müssen weiter überlegen, weiter abwägen und weiter herausfinden, wie wir den an uns gerichteten Anforderungen jetzt gerade, in der für uns angemessenen Art und Weise begegnen. Aus philosophischer Perspektive meint Führungsverantwortung demnach vor allem das: Verantwortung dafür zu übernehmen, dass Prozesse des Hinterfragens, des mühsamen Abwägens und unsicheren Erkundens vorgelebt und initiiert werden, um als Organisation in Bewegung zu bleiben. Der Weg zu etwas Neuem nämlich, lässt sich aus dieser Perspektive vor allem zweifelnd bahnen.

Dr. Mareike Teigeler